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Institute of Biomedical Ethics and History of Medicine (IBME)

Dissertation Tatjana Weidmann-Hügle

«Integration der chronischen Lebenswirklichkeit in die klinische Ethik und Ethikberatung am Beispiel des Morbus Parkinson»

Abstract

Die klinische Ethik und die klinische Ethikberatung sind massgeblich von Struktur, Sprache, Logik und Dynamik der Akutmedizin sowie einer naturwissenschaftlichen Epistemologie geprägt. Damit orientieren sie sich eng an einem biomedizinischen Modell der Versorgung und fokussieren auf dringliche Krisensituationen im Akutspital. Von Ethikberatungsdiensten wird in der Regel erwartet, dass sie ein Gesundheitsteam unterstützen, indem sie zum angemessenen Verständnis, zur Beratung und/oder zur Lösung einer akut auftretenden ethischen Dilemma- oder Konfliktsituation beitragen. Die Entscheidungsfindung findet üblicherweise innerhalb eines begrenzten Zeitfensters statt, stellt – neben den medizinischen Aspekten des Falles – die Achtung der individuellen Patientenautonomie in den Mittelpunkt der Diskussion und kann als ein „Feuerwehr"-Ansatz klinischer Ethik betrachtet werden.
Trotz ihres wichtigen Beitrags zum Umgang mit ethischen Problemen im klinischen Alltag ist eine solche Konzeptionalisierung klinischer Ethik und Ethikberatung für Menschen mit (schweren) chronischen Erkrankungen nicht ausreichend. Denn das unmittelbare Erleben von Krankheit, die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf das Leben eines Menschen und die Art und Weise, wie Betroffene die Krankheit in ihr Leben integrieren, finden dabei wenig Beachtung.
Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, 1) inwiefern wichtige Aspekte chronischen Krankseins sowohl im Bereich der somatischen, akutmedizinischen Gesundheitsversorgung als auch in der klinischen Ethik und Ethikberatung ausgeklammert werden und wie dies dazu führt, dass Betroffene epistemische Ungerechtigkeit erfahren, 2) wie chronische Krankheit von den Betroffenen erlebt wird (am Beispiel des Morbus Parkinson) und welche Aspekte chronischen Krankseins von ethischer Bedeutung sind und 3) wie diese in der klinischen Ethik und der ethischen Entscheidungsfindung angemessen rezipiert werden können.
Mit dieser Arbeit soll ein Beitrag für die Integration der Lebenswirklichkeit und der Erfahrungen, die chronisch kranke Menschen im Rahmen ihrer Erkrankung machen, geleistet werden. Damit sollen im Gesundheitswesen tätigen Fachleuten der klinischen Ethik und Ethikberatung Ansätze und Vorgehensweisen in die Hand gegeben werden, die die spezifischen Bedürfnisse von einer chronischen Krankheit Betroffener aufnehmen und nicht- medizinischen Aspekten des Krankseins einen Raum geben.